Psychosoziales und Diabetes
Ein Thema dem meist wenig Beachtung geschenkt wird sind psychische Belastungen bei Diabetes-Patienten. Mögliche psychische Erkrankungen, die mit Diabetes einhergehen sind Depressionen, Ängste, Eßstörungen und sich entwickelnde Abhängigkeiten (Alkohol, Nikotin).
Depressionen
Depressionen treten bei Diabetikern doppelt so häufig auf als bei Menschen ohne Diabetes und gehen meist einher mit Problemen der Therapieführung, erhöhten HbA1c- Werten (Hämoglobinwerte), einer verminderten Lebensqualität oder Therapieunzufriedenheit. Auch entstehende Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus oder wiederholte schwere Unterzuckerungen steigern das Risiko von Depressionen.
Symptome
– veränderte depressive Stimmung
– Interessenverlust
– Verlust der Freude an allgemein angenehmen Tätigkeiten
– Antriebsmangel
– andere depressive Anzeichen: Schuldgefühle, Schlafstörungen, suizidale Gedanken, vermindertes Selbstwertgefühl
Behandlung
Die Grundvoraussetzung um eine Behandlung einzuleiten ist die Einsicht des Patienten und die Bereitschaft zur Behandlung!
Bei rechtzeitiger Diagnose und richtiger Therapie prognostiziert man eine 80%-ige Wahrscheinlichkeit der Besserung/Heilung. Die Grundsäulen der Behandlungen sind Gesprächstherapien (Psychotherapie) und Antidepressiva (vor allem SSRI) und deren Kombination miteinander.
Ängste
Die Häufigkeit von Angstzuständen ist bei Diabetikern ähnlich hoch einzuschätzen wie bei Menschen ohne Diabetes (ca. 9%) und gehen meist mit einer verminderten Lebensqualität oder Problemen bei der Therapieführung einher. Dabei entwickeln viele Ängste vor Folgeerkrankungen, Hilflosigkeit/Pflegebedürftigkeit, beruflicher Einschränkung, Diskriminierung oder auch Überforderung/Versagen (z.B. Technik beim Spritzen, Blutzucker messen, BE abschätzen). Zusätzlich ensteht Angst durch mögliche Schmerzen vom Spritzen oder Blutzuckermessen oder mit der Krankheit verbundene Nebenwirkungen (durch Insulin oder anderen Medikamenten).
Symptome
– Angstzustände und Besorgnis in bestimmten Situationen (z.B. Menschenmengen, Reisen,…)
– nur bestimmte Situationen (z.B. durch spezifische Phobien)
– in verschiedenen Situationen (Agoraphobie)
– in verschiedenen Lebenssituationen (generalisierte Angststörungen)
– verbunden mit Panikattacken (Panikstörungen)
– Erinnerung an belastende Erlebnisse (posttraumatische Belastungsstörungen)
Behandlung
Auch hier ist die Voraussetzung einer Behandlung die Einsicht des Patienten gekoppelt mit der Bereitschaft sich behandeln zu lassen. Dabei werden meist psychotherapeutische Maßnahme in Form von Verhaltenstherapie angewendet. Auch medikamentöse Therapien kommen hier in Betracht (SSRI).
Eßstörungen
Zur genauen Beleuchtung dieser psychischen Problematik muss man folgende Eßstörungen unterscheiden:
Magersucht („Anorexia nervosa“): Der Großteil liegt in einem Alter von 15-19 Jahren, von denen 0,3 – 2,1% betroffen sind (90-95% weiblich)
Bulimie („Bulimia nervosa“): Schätzungsweise leiden 2 – 4% der Bevölkerung an Bulimie (90-95% weiblich)
unkontrollierte Eßanfälle („binge eating“): Rund 2% der Bevölkerung ist betroffen (von besonderer Bedeutung beim diab.mellitus Typ 2, da häufig mit Übergewicht einhergehend)
Magersucht – Wie erkennen?
– Körpergewicht mind. 15% unter Normalgewicht bzw. BMI ≤ 17,5
– Patienten erleben sich selbst i.d.R. nicht als magersüchtig
– Patienten haben panische Angst vorm Dickwerden
– Gewichtsverlust durch:
- – meiden hochkalorischer Speisen
- – selbst initiiertes Erbrechen
- – häufiger Gebrauch von Abführmitteln/Entwässerungstabletten
- – Verwendung von Appetitszüglern
Bulimie – Wie erkennen?
– häufiger Gedanke an Essen und Gewicht
– krankhafte Angst vorm Dickwerden
– Heißhungerattacken gefolgt von selbst initiiertem Erbrechen
– Einnahme von Abführmitteln
– strikte Diät oder bewußtes Weglassen von Insulin (Gewichtsabnahme durch hohe Blutzuckerwerte)
unkontrollierte Eßanfälle – Wie erkennen?
– bestimmte Intervalle von Eßanfällen (z.B. innerhalb von 2 Stunden wiederholt große Mengen essen)
– während des Essens: Gefühl des Nicht-Aufhören-Könnens
– Ekelanfälle, Deprimiertheit, Schuldgefühle nach den Eßanfällen
– Häufigkeit: durchschnittlich an mind. 2 Tagen der Woche für 6 Monate lang
– keine „Kompensation“ durch Verhaltensweisen die zu rascher Gewichtsabnahme führen
Behandlung
Magersucht und Bulimie werden meist psychotherapeutisch behandelt. In schwereren Fällen sollten sich Patienten in psychiatrische Behandlung begeben. „Binge eating“ (unkontrollierte Eßanfälle) werden psychotherapeutisch behandelt auf denen im späteren Verlauf meist ein Gewichtsreduktionsprogramm folgt unter der Einbeziehung von psychologischen Elementen.
Abhängigkeiten
Alkohol
Treten bei Diabetespatienten in ähnlicher Häufigkeit auf wie bei Menschen ohne Diabetes. Statistiken zufolge sind ca. 4% der Bundesbevölkerung alkoholabhängig. 10-12% der bundesdeutschen Bevölkerung konsumieren Alkohol in einer Größenordnung, die langfristig ein hohes Gesundheitsrisiko zur Folge haben kann und soziale Schäden verursacht. Gerade Diabetiker sind besonders gefärdet durch einen zusätzlichen Risikofaktor für Folgekrankheiten und massiven Stoffwechselentgleisungen.
Nikotin
Die Nikotinsucht ist bei Diabetikern in ähnlicher Häufigkeit festzustellen wie bei der Normalbevölkerung. Ca. 28,3% der Bundesdeutschen rauchen regelmäßig. Die besondere Gefahr für Diabetiker besteht darin, dass das Risiko von Folgekrankheiten und die Sterblichkeit erhöht wird.
Alkoholabhängigkeit – Wie erkennen?
– Nichterkennen bzw. Leugnen der Abhängigkeit
– starkes Verlangen nach Alkohol
– verminderte Kontrolle des Trinkverhaltens
– körperliche Entzugserscheinungen bei fehlender Alkoholzufuhr
– Toleranz gegenüber Alkohol
– Einengung des Lebens aufgrund des Alkoholkonsums
Nikotinabhängigkeit – Wie erkennen?
– Leugnen der Abhängigkeit
– Unterschätzen der Auswirkungen bzw. des Risikos diabetesbedingter/-assoziierter Folge- und Begleiterscheinungen
– Grad der Abhängigkeit wird charakterisiert:
- – Zahl der konsumierten Zigaretten / Zigarren / Pfeifen
- – Zeitpunkt der 1. morgentlichen Zigarette
- – Rauchertagesprofil
- – Inhalationstiefe
- – verwendeten Zigarettenmarken
Behandlung
Nach Einsicht der Abhängigkeiten können Sucht- oder Entzugsbehandlungen eingeleitet werden in Kliniken, spezialisierten Verbänden oder durch Suchtberater.
Weitere psychosoziale Probleme
– familiäre Belastungen
– tatsächliche berufliche Einschränkungen / Diskriminierungen
– Unsicherheiten in Sozialkontakten (sich-outen-müssen, Unsicherheit beim Einkauf oder im Restaurant, etc)
– Schuldzuweisungen sich selbst gegenüber (Warum gerade ich bzw. mein Kind?)
– Schuldzuweisungen durch andere (Du bist zu dick, hast dich/dein Kind falsch ernährt)
– Leidensdruck (Schmerzen beim „Stechen“, Potenzprobleme, Bewußtwerden der nachlassenden Leistungsfähigkeit)
– Resignation (Frustation dem Diabetes gegenüber, Nicht-wahr-haben-wollen)
Diabetes erfordert in erster Linie Selbstmanagement von den Betroffenen!
Das Ausmaß und der Erfolg ist dabei im Wesentlichen abhängig vom Alter, Persönlichkeit, Einstellung des Betroffenen, praktizierter Therapie, therapeutischen Angeboten und notwendiger medizinischer und psychosozialer Zuwendung.
Mehr Informationen rund ums Thema Diabetes erhalten Sie auch unter www.diabetiker.info